Vor 35 Jahren: Erstes Außenministertreffen im Rahmen der „Zwei-plus-Vier-Verhandlungen“ in Bonn

Die außen- und sicherheitspolitische Absicherung des deutschen Einigungsprozesses kam in die entscheidende Phase. Ohne Zustimmung der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges konnte Deutschland nicht wiedervereinigt werden. Doch wie sollte es um seine Bündniszugehörigkeit bestellt sein? Dazu gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen und vielfältige Interessen.

Warum gerade dieses Gesprächsformat

Zusammen mit dem amerikanischen Außenminister James Baker setzte Helmut Kohl das Zwei-plus-Vier-Gesprächsformat durch. Helmut Kohl kam es darauf an, dass die Siegermächte „nicht über die Köpfe der Deutschen hinweg“ verhandelten. Außerdem wollte er eine Ausweitung und Zerfaserung im Kreis der KSZE-Außenministerkonferenz verhindern. Dasselbe hätte für eine umfassende Friedenskonferenz mit allen 50 Staaten, die Deutschland den Krieg erklärt hatten, gegolten. „Das hätte den Einigungsprozess ins Stocken – wenn nicht zum Stillstand – bringen können“, so Kohl in seinen Erinnerungen „Ich wollte Deutschlands Einheit“.

Wichtigster Partner nicht nur in diesen Monaten war der amerikanische Außenminister James Baker. Mit ihm stimmte sich Kohl eng ab. Beide lagen gerade in „Fragen der NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands“ auf einer Linie. James Baker, so Helmut Kohl, sei ein glänzender Außenminister gewesen: „Seine Verhandlungsführung war brillant. Ohne ihn hätte US-Präsident George Bush Senior so manches nicht erreicht. Auch trat er uns Deutschen mit vorbehaltloser Sympathie entgegen.“

Schwieriger Verhandlungsbeginn

Die deutsche Presse reagierte enttäuscht auf die erste Zwei-plus-Vier-Runde am 5. Mai. „Es wird gefragt, ob die Verhandlungen platzen, weil keine greifbaren Ergebnisse herausgekommen seien“, berichtet Helmut Kohl in seinen Erinnerungen „Ich wollte Deutschlands Einheit“. Dabei ging es doch um nicht weniger als um die außen- und sicherheitspolitische Absicherung des Einheitsprozesses. Zudem hatte der sowjetische Außenminister Schewardnadse die Position Moskaus wiederholt: „Die Bevölkerung seines Landes und der Oberste Sowjet“ stünden der NATO-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands „eindeutig ablehnend“ gegenüber.

Kohl zerstreut die Bedenken

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zerstreute der Kanzler die Sorgen der Bundestagsabgeordneten. „Ob denn wirklich jemand im Ernst geglaubt habe, dass der Außenminister der Sowjetunion nach Bonn gekommen sei, um dort gleich zu Beginn der Verhandlungen zu erklären, sein Land habe keinen sehnlicheren Wunsch, als der deutschen Einheit ohne jede Bedingung zuzustimmen? Wichtig sei, dass die Verhandlungen erst einmal in Gang gekommen seien und jede Seite ihre Ausgangsposition präsentiert habe. Jetzt müsse ein Kompromiss gefunden werden: „Und wir haben keinen Grund, nervös zu werden.“

Woher der Optimismus kam

Mein Optimismus – so der Kanzler im Rückblick – beruhte einfach darauf, dass wir in der Frage der NATO-Mitgliedschaft in einer guten Position waren: „Es gab damals außerhalb der Sowjetunion praktisch niemanden mehr, der nicht die Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands in der NATO bejaht hätte“. Selbst die ČSFR, Polen und Ungarn hätten sich in diesem Sinne erklärt.

Völkerrechtliche Zustimmung

Nach vier Monaten harten Verhandlungen regelte schließlich der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 die völkerrechtliche Zustimmung der ehemaligen Besatzungsmächte zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Die neue Bundesrepublik akzeptierte darin die bestehenden Grenzen und verzichtete auf Atom-, Bio- und Chemiewaffen. Der Vertrag machte den Weg frei für die deutsche Einheit am 3. Oktober 1990.

Grundlage für Wiedervereinigung und Integrationsprozess

Durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag erhielt die wiedervereinte Bundesrepublik ihre ganze Souveränität zurück. Die Sowjetunion gestattete Deutschland den Beitritt zur NATO und zog bis 1994 ihre Truppen aus Ostdeutschland ab, während sie als Ausgleich Wirtschaftshilfen zugesprochen bekam. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde grundlegend für den weiteren Integrationsprozess der Europäischen Union und der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.