Vor 30 Jahren: Helmut Kohl besucht Bundeswehrstandort Eggesin

40 Jahre Bundeswehr und 5 Jahre Armee der Einheit

 

„Wehrdienst ist die vom Grundgesetz vorgesehene Normalität“

Für Helmut Kohl waren Frieden und Freiheit unlösbar miteinander verbunden: „Wir müssen wachsam bleiben und müssen bereit sein, für die Freiheit einen Preis zu zahlen.“ Anlässlich des vierzigjährigen Bestehens der Bundeswehr und fünf Jahre Armee der Einheit besuchte der Bundeskanzler den Standort Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern.

Zum Bundeswehrjubiläum folgten zahlreiche Gedenkveranstaltungen. Der Höhepunkt war der Große Zapfenstreich im Bonner Hofgarten am 26. Oktober 1995. Einen Tag später gab Helmut Kohl im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung ab.

Die Gespräche mit den Soldatinnen und Soldaten in Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern beeindruckten Helmut Kohl. Im Bundestag kam er auf seinen Besuch zu sprechen: „Immer wieder - zuletzt vor ein paar Tagen - hatte ich die Gelegenheit, mit jungen Rekruten aus den neuen Ländern zu reden. Man muss sich vorstellen: Der 19jährige, der jetzt beim Bund ist, hat in seiner Schulzeit gehört, dass die NATO ein Werk des Teufels und ein Kriegstreiber sei und dass das alles schrecklich sei. Jetzt ist er Teil dieser Bundeswehr.“

Frieden und Freiheit gehören zusammen

Es sei ein Irrtum, so der Bundeskanzler, dass Frieden - wirklicher Frieden - ohne Freiheit möglich sei. Die Bundeswehr habe entscheidenden Anteil daran, dass wir Deutschen schon seit Jahrzehnten in Frieden leben. Ohne die Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland für die politische und militärische Integration in die westliche Gemeinschaft wäre dies nicht denkbar gewesen. Und dann sagte Helmut Kohl mit großer Entschiedenheit und Nachdenklichkeit – und es klingt so aktuell und passend auf die heutige Zeit: „Wenn wir in Europa wieder zulassen, dass Gewalt im Leben der Völker honoriert wird, dann werden wir schnell wieder dort sein, wo wir 1938 in Europa standen. Das darf nie wieder deutsche und internationale Politik sein.“

Wehrpflicht ist Bürgerverantwortung

Er habe, so Kohl, großen Respekt vor denen, die Ersatzdienst leisten. „Diejenigen, die ihren Dienst in Krankenhäusern, in einer Intensivstation oder in Pflegeeinrichtungen für Schwerstbehinderte tun, verdienen unsere Anerkennung.“ Die Wehrpflicht bleibe aber Ausdruck der Bürgerverantwortung in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Wehrdienst sei deshalb die vom Grundgesetz vorgesehene Normalität; die Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen sei die Ausnahme. „Ich sage das so bewusst, weil es ja manche in unserem Land gibt, die dies genau andersherum haben möchten. Wer Rechte hat, hat auch Pflichten!“ Es gehöre zum Erziehungsauftrag unserer Bildungseinrichtungen an diese einfache Wahrheit immer wieder zu erinnern. Überall könne davon mehr die Rede sein.

Dank für Einsatzbereitschaft und Friedenssicherung

Der Bundeskanzler dankte für das persönliche Engagement aller Bundeswehrangehörigen und sprach seine Anerkennung aus „und dies kann ich gewiss auch im Namen der großen Mehrheit unseres Volkes tun“, wie er ergänzte. Er wünsche sich, „dass möglichst viele in Deutschland einmal darüber nachdenken, welchen Weg wir in diesen vier Jahrzehnten genommen hätten, wenn die Bundeswehr ihre Pflicht nicht erfüllt hätte“. Die Soldaten der Bundeswehr - in Heer, Luftwaffe und Marine – hätten ihren Einsatzwillen und ihre Leistungsfähigkeit für uns und unser Land in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die längste Friedensperiode der neueren deutschen Geschichte werde weiter Bestand haben, „wenn wir den Willen haben, unsere Freiheit zu verteidigen“.

Bedrohungslagen im Wandel

Über die Jahre verändert sich die weltpolitische Situation und mit ihr die Analyseergebnisse und das Gefühl für Bedrohungslagen. Darauf reagiert die Politik. So war es auch, als der Deutsche Bundestag 16 Jahre später zum 1. Juli 2011 die Wehrpflicht aussetzte. Diese Entscheidung war Teil einer umfassenden Bundeswehrreform, die sich zunehmend auf Auslandseinsätze und eine professionelle Berufsarmee konzentrieren wollte. Weitere vier Jahre später schloss der Bundeswehrstandort Eggesin zum dritten Quartal 2015 seine Tore.