Vor 34 Jahren: Sowjetische Gewaltanwendung in Litauen

Sowjetische Spezialeinheiten versuchten am 13. Januar 1991 in Vilnius moskautreue Kräfte gewaltsam an die Macht zu putschen. 14 unbewaffnete Zivilisten kamen bei der Verteidigung des Parlaments und des Fernsehturms gegen die Angreifer ums Leben.

Rückschlag für den Entspannungsprozess
Der Entspannungsprozess hatte einen herben Rückschlag erlitten. Wenige Tage vorher, am 10. Januar, hatte der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow Litauens Staatsoberhaupt Vytautas Landsbergis aufgefordert, die sowjetische Verfassung anzuerkennen und damit auf die vorher proklamierte Unabhängigkeit zu verzichten. Die Gewalt der Januarereignisse stand im deutlichen Gegensatz zu der Gewaltlosigkeit des vorangegangenen Unabhängigkeitsprozesses und machte deutlich, dass die Unterdrückungsmechanismen der Sowjetunion auch in der Zeit von Perestroika und Glasnost noch wirksam waren.

Sofortreaktion des Bundeskanzlers
Helmut Kohl reagierte sofort und nutzte alle persönlichen und diplomatischen Kommunikationskanäle. Vor dem Deutschen Bundestag berichtete er einen Tag später: „Präsident Gorbatschow hat gestern über den stellvertretenden Außenminister der Bundesregierung mitteilen lassen, dass die Einsatzbefehle vom Wochenende nicht von ihm selbst erteilt worden seien und er sehr zuversichtlich hoffe, eine Lösung mit politischen Mitteln zu erreichen.“ Und Kohl unmissverständlich in Richtung Moskau: „Ich vertraue darauf, dass Präsident Gorbatschow in dieser Frage Klarheit schaffen kann.“ 

Appell an Gorbatschow
Über die Zukunft der Umgestaltung, der Reformen und der Politik des „Neuen Denkens" in der Sowjetunion war Helmut Kohl zutiefst besorgt. „Ich habe mich deshalb gestern noch einmal mit einer Botschaft an den Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, gewandt“, erklärte der Kanzler einen Tag nach dem Putschversuch. Gestützt auf die gemeinsam verabschiedete „Charta von Paris für ein neues Europa" und auf die KSZE-Prinzipien appellierte Kohl an Gorbatschow, „jeder weiteren Gewaltanwendung Einhalt zu gebieten, zum Weg des Dialogs und der Verständigung zurückzukehren und sicherzustellen, dass die in Litauen und in anderen Unionsrepubliken getroffene freie Wahl geachtet wird.“

Verankert in der westlichen Wertegemeinschaft
Letztlich führten die Demonstrationen in Litauen wie im gesamten Baltikum zur Unabhängigkeit der dortigen Staaten. Am 28. August 1991 nahm Deutschland mit den drei baltischen Staaten, Litauen, Lettland und Estland, diplomatische Beziehungen auf. Der Plan stand fest. „Wir, die Bundesrepublik Deutschland und unsere Partner in der Europäischen Gemeinschaft, wollen mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen an eine Zeit des friedlichen Miteinanders anknüpfen und möglichst bald Verhandlungen über Assoziierungsverträge aufnehmen“, so Helmut Kohl in einer Regierungserklärung. Die politische und wirtschaftliche Unterstützung zahlte sich aus. Seit 2004 gehören alle drei baltischen Staaten der Europäischen Union und der NATO an und sind heute Mitglied der Eurozone.