„Der Deutsche Bundestag richtet heute gemeinsam mit der Volkskammer der DDR eine unmissverständliche Botschaft an Polen: Die Grenze Polens zu Deutschland, so wie sie heute verläuft, ist endgültig. Sie wird durch Gebietsansprüche von uns Deutschen weder heute noch in Zukunft in Frage gestellt“, das erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl am 21. Juni 1990 in Bonn.
Der Deutsche Bundestag in Bonn und die Volkskammer der DDR in Berlin (Ost) erkannten an diesem Tag in gleichlautenden Resolutionen die deutsch-polnische Grenze (Oder-Neiße-Linie) endgültig an. Damit sendeten beide deutschen Parlamente ein wichtiges Signal nicht nur an Polen, sondern auch an die vier Partner bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges. Der Gewaltverzicht und die endgültige Anerkennung dieser Grenze machten international den Weg zur deutschen Wiedervereinigung frei und waren gleichzeitig der Grundstein für freundschaftliche Beziehungen zum Nachbarland Polen.
Schwierige Gefühlslagen
Einige Abgeordnete in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aus Reihen des Bundes der Heimatvertriebenen, taten sich mit ihrer Entscheidung schwer. Bundeskanzler Kohl war sich deren Gefühlslage absolut bewusst. In seiner Bundestagsrede sprach er „die vielen in unserem Land“ an, die die vorgesehene Bundestagsentschließung „tief berühren und schmerzen“ würde. Diese Menschen seien der Heimat ihrer Vorfahren fest verbunden, sagte Kohl verständnisvoll und erinnerte an die Stuttgarter Charta von 1950, in der die Vertriebenen schon früh „ein großartiges Bekenntnis zur Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn und zur Schaffung eines geeinten Europa“ abgelegt hätten.
Unmissverständlich machte der Kanzler aber auch klar, dass es zur Entscheidung für die Annahme der Resolution keine Alternative gebe. In der Unionsfraktion appellierte er vor der Abstimmung noch einmal eindringlich, dafür zu stimmen. „In der internationalen Politik sei niemand bereit“, so Kohl in seinen Erinnerungen „Ich wollte Deutschlands Einheit“, „die Zustimmung zur Einheit unseres Vaterlandes zu geben, wenn wir nicht vorher zu einer solchen Resolution kämen. (…) Wer sage, er könne die Resolution nicht mittragen, müsse auch ehrlich sagen, dass er in Kauf nehme, dass aus der Einheit nichts werde“.
Dauerhafte Aussöhnung
Die Garantieerklärung zur polnischen Westgrenze war für Kohl weit mehr als nur Kalkül. Es war eine Herzensangelegenheit. Mit der Vereinigung Deutschlands sah er die Chance, eine endgültige und dauerhafte Aussöhnung mit dem polnischen Volk zu erreichen. „Was zwischen Deutschen und Franzosen möglich war, kann und muss jetzt endlich auch zwischen Deutschen und Polen möglich werden. In meiner Heimat, in der Pfalz, habe ich miterleben können, wie die deutsch-französische Freundschaft gewachsen ist“, sagte er vor der Abstimmung im Deutschen Bundestag. Er wünsche sich, dass ein solches Miteinander über die Grenzen hinweg zwischen jungen Deutschen und jungen Polen bald ebenso selbstverständlich sein werde.
Grundlegend dafür war das deutsch-polnische Jugendabkommen, das Helmut Kohl bei seinem Besuch in Polen im November 1989 zusammen mit seinem polnischen Amtskollegen Tadeusz Mazowiecki vereinbart hatte und das nun „mit Leben erfüllt und tatkräftig für eine gemeinsame Zukunft zu nutzen“ sei. Allzu leicht werde vergessen, so der Kanzler: „Ein freies und vereintes Deutschland kann gegenüber Polen auch an gute, ja, an beste Traditionen anknüpfen. Die Beziehungen zwischen beiden Völkern sind in der Vergangenheit keineswegs nur von Zwietracht, von kriegerischen Konflikten und vom Leid der Menschen überschattet gewesen. Im Gegenteil: Es gab lange Perioden fruchtbaren Austauschs, ja, eines harmonischen Miteinanders. Die heilige Hedwig gehört beiden Nationen.“
Deutsch-Polnisches Jugendwerk
Das Abkommen über die Gründung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks wurde am 17. Juni 1991 unterzeichnet, zeitgleich mit der Unterzeichnung des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Die Initiative zur Gründung hatten bereits im November 1989 der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und sein polnischer Amtskollege Tadeusz Mazowiecki, der erste nicht-kommunistische Premierminister Polens, ergriffen. Seine Arbeit nahm das Deutsch-Polnische Jugendwerk am 1. Januar 1993 mit je einem Büro in Potsdam und in Warschau auf. Seit Bestehen des Jugendwerks wurden rund 80.000 Projekte realisiert, an denen über drei Millionen junge Menschen teilgenommen haben.
Einen zeitgenössischen Nachrichtenbeitrag zu den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und zur Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze finden Sie im Digitalen Lesesaal des Bundesarchivs: