Vor 35 Jahren: Helmut Kohl empfängt Nelson Mandela

Vier Monate nach seiner Entlassung aus 27-jähriger Haft wurde Nelson Mandela von Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn empfangen. Damals wie heute gilt Nelson Mandela als die Ikone des Freiheitskampfes gegen die Apartheid in Südafrika. Zum Zeitpunkt des Treffens mit dem Bundeskanzler war der spätere Präsident Südafrikas noch Vizepräsident des African National Congress (ANC).

Helmut Kohl war es ein Anliegen, den führenden Oppositionspolitiker persönlich kennenzulernen. Er lud Mandela für zwei Tage nach Bonn ein, nahm sich Zeit und das trotz des arbeitsintensiven deutschen Einigungsprozesses, der parallel lief. Kohl schätzte die von Nelson Mandela seit seiner Freilassung „bewiesene konstruktive und dem inneren Frieden verpflichtete Haltung“, wie Hans Klein, der damalige Regierungssprecher, in einem Bulletin berichtete.

Volle Gleichberechtigung erreichen

Schwerpunkt des Meinungsaustausches im Kanzleramt und bei einem anschließenden Mittagessen, war die innere Entwicklung in Südafrika und insbesondere der Stand der Bemühungen um eine politische Lösung der internen Konflikte des Landes. Nelson Mandela unterrichtete den Bundeskanzler über Stand und Ergebnisse der bisherigen Vorgespräche zwischen dem ANC und der südafrikanischen Regierung unter Staatspräsident Frederik Willem de Klerk, die in einen umfassenden Dialog über die Abschaffung der Apartheid und die politische Zukunft Südafrikas einmünden sollten. Mandela war zuversichtlich, dass die eigentlichen Verfassungsgespräche „mit dem Ziel der vollen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gleichberechtigung aller Bürger Südafrikas, bald beginnen werden“, konnte Regierungssprecher Hans Klein berichten.

Friedlichen Wandel unterstützen

Bundeskanzler Kohl erklärte seine Bereitschaft, „im Rahmen unserer Möglichkeiten den friedlichen Wandel in Südafrika zu fördern und zu unterstützen“. Dabei unterstrich er „die Notwendigkeit einer baldigen vollständigen Abschaffung der noch bestehenden Strukturen der Apartheid und einer vollen Einbeziehung aller Südafrikaner in die politische Willensbildung und Verantwortung“. Er begrüßte die von Nelson Mandela wie von Staatspräsident Frederik Willem de Klerk gezeigte Bereitschaft, „konstruktiv und im Geiste der Versöhnung aufeinander zuzugehen, um gemeinsam eine Verfassungsordnung zu schaffen, die für alle Bürger Südafrikas akzeptabel ist und ihnen angemessene Zukunftsperspektiven eröffnet“.

Apartheid wird abgeschafft

Jahrzehntelang war die schwarze Bevölkerung in Südafrika diskriminiert und verfolgt worden. Vor allem seit der Regierungsübernahme der National Party im Jahr 1948 wurde die schwarze Bevölkerung ihrer Grund- und Menschenrechte beraubt und brutal unterdrückt. Erst am 17. Juni 1991 unter der Regierung de Klerk wurden die letzten noch geltenden Gesetze der sogenannten Rassentrennung abgeschafft. In den ersten freien Wahlen am 27. April 1994 errang der ANC die absolute Mehrheit. Nelson Mandela wurde der erste schwarze Staatspräsident Südafrikas und Chef einer Regierung der nationalen Einheit mit der National Party und der Inkatha Freedom Party. Damit begann im südlichen Afrika eine Zeit der Hoffnung.