Vor 40 Jahren: Die DDR baut die letzte Selbstschussanlage ab

Rund 70.000 Selbstschussanlagen Typ SM-70 (Splittermine, Produktionsbeginn 1970) verteilt auf einer Länge von über 400 Kilometern, montiert am vorderen Metallgitter-Grenzzaun, hatten den ausschließlichen Zweck, "Grenzdurchbrüche" in die Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden. Die "Unverletzlichkeit der Grenze" sicherzustellen, war vorrangiges Ziel der DDR-Führung. Den grausamen Tod von Menschen nahm sie billigend in Kauf.

 

Vertuschungsversuch aufgedeckt

Lange versuchte die DDR-Führung die Existenz der Selbstschussanlagen geheim zu halten, auch aus Sorge um ihre internationale Reputation. Es war dann ein ehemaliger DDR-Bürger im Westen, der den Beweis für die Existenz der Selbstschussanlagen vorlegte: Michael Gartenschläger. In waghalsigen Aktionen baute er auf DDR-Seite zweimal die Todesautomaten ab und übergab eine dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sowie eine andere dem Museum am „Checkpoint Charlie“ in West-Berlin. Bei einem dritten Versuch am 1. Mai 1976 wurde Gartenschläger von DDR-Grenzsoldaten erschossen.

„Friedensstaat“ in der Glaubwürdigkeitslücke

Die DDR-Führung war international bloßgestellt, hielt aber lange Jahre an den Todesautomaten fest; auch dann noch als die DDR 1981 das UN-Protokoll II über Landminen, Sprengfallen und andere Vorrichtungen unterschrieb. Zunehmend wurde es aber im Rahmen des KSZE-Friedensprozesses (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) immer schwieriger sich glaubhaft als „Friedensstaat“ zu stilisieren.

DDR-Führung braucht Geld

Zu alle dem benötigte die DDR dringend Wirtschafts- und Finanzhilfe aus dem Westen. Auch das machte ein „Entgegenkommen“ notwendig. Unmissverständlich machte Bundeskanzler Helmut Kohl klar: „Mit ihrer Zustimmung zu dem Kredit westdeutscher Banken über eine Milliarde DM hat die Bundesregierung ein deutliches Signal an die DDR-Führung gegeben. … Wem es mit einer dauerhaften Friedensordnung in Europa wirklich ernst ist, muss Mauer und Stacheldraht abbauen, eine Erziehung zu Hass und Feindschaft unterlassen, darf die Inanspruchnahme von Menschenrechten nicht mit Gewalt bedrohen. Zur Missachtung der Menschenrechte, auch in unserem Vaterland, können und werden wir nicht schweigen.“

Menschenverachtende Sperranlagen bleiben

Staatsratsvorsitzender Erich Honecker ließ die Selbstschussanlagen wieder abbauen, die letzte vor 40 Jahren am 30. November 1984. „Die Grenze ist dadurch nicht durchlässiger geworden“, wies Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung „Zur Lage der Nation im geteilten Deutschland“ hin. „Die menschenverachtenden Sperranlagen der DDR an den Grenzen mitten durch Deutschland zeigen mehr als alles andere, wie weit wir von Normalität immer noch entfernt sind. Es ist und bleibt unerträglich, wenn immer noch Bodenminen und Schießbefehl die Menschen daran hindern, von Deutschland nach Deutschland zu gehen.“ Sieben lange, weitere Jahre mussten die Menschen warten, bis die Friedliche Revolution das DDR-Regime am 9. Oktober 1989 zur Grenzöffnung zwang.