Besuch in bedrohlicher Lage – Kohl erstmals in der Sowjetunion

Mit der Stationierung der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen begann eine neue Eiszeit zwischen den Blöcken. Diese Waffen waren gegen Westeuropa gerichtet und besaßen die etwa achtzigfache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe. Der Westen antwortete mit dem NATO-Doppelbeschluss: Abrüstungsverhandlungen und amerikanische Pershing II Raketen als Gegenmaßnahme. 


Dialog auch in Spannungszeiten

Der damalige sowjetische Generalsekretär Jurij Andropow war ein Hardliner. Er hatte dem Westen unter anderem mit dem Dritten Weltkrieg gedroht. Trotzdem schrieb Kohl wenige Wochen nach Amtsantritt Andropow einen Brief, um ihm mitzuteilen, wie er sich als neuer Regierungschef die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion vorstellte. Ein gutes halbes Jahr später reiste Kohl dann mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher nach Moskau, um den sowjetischen Staatschef zu treffen und mit ihm generell über die Entwicklung der Beziehungen zu sprechen.

Entdeckungslust jenseits des Protokolls

Nach den Gesprächen packte den Kanzler die Entdeckungslust. Alleine und ohne Vorankündigung spazierte der Kanzler über den Roten Platz und zur Basilius-Kathedrale. Die völlige Missachtung des strengen Protokolls sorgte auf der sowjetischen Seite für Verwunderung. Man schickte Kohl sofort eine Handvoll Sicherheitsbeamte hinterher, die ihn bei seinem Spaziergang begleiteten.

NATO-Doppelbeschluss wird umgesetzt

Am 22. November 1983 stimmte der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II zu.

In der DDR und in der Bundesrepublik wurden die Diskussionen um den NATO-Doppelbeschluss von Protesten der Friedensbewegung begleitet. Allein 1983 beteiligten sich im Westen Deutschlands über eine Million Menschen. In der Bundeshauptstadt Bonn fand auf der Hofgartenwiese die Hauptveranstaltung statt. Aber, so Kanzlerberater Horst Teltschik in einem Deutschlandfunkinterview, Helmut Kohl habe die Position von Schmidt immer für richtig gehalten. „Wir bekommen die sowjetischen Raketen nur weg, indem wir an dieser Alternative festhalten: wenn du nicht abbaust, bauen wir auch auf.“

Wende und Raketen-Vernichtung 

1985 nahmen der US-amerikanische Präsident Ronald Reagan und der neue Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow Abrüstungsverhandlungen wieder auf. Die USA und die Sowjetunion vereinbarten 1987 im INF-Vertrag Rückzug, Vernichtung und Produktionsverbot ihrer atomar bestückbaren, landgestützten Flugkörper mit Reichweiten von 500 bis 5500 km und deren Trägersysteme. Bis Mai 1991 erfüllten sie diesen Vertrag. Die Mittelstreckenraketen wurden abgebaut.