Bilanz, Weitblick und Attacke – parlamentarischer Schlagabtausch vor 25 Jahren

Helmut Kohl in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 1999 

In seiner letzten Rede als Bundeskanzler im Deutschen Bundestag am 3. September 1998 zeichnete Helmut Kohl noch einmal die Konturen seiner politischen Arbeit der letzten 16 Jahre. Er sah Entwicklungen voraus, die bis in die heutige Zeit reichen. 
 

Kohl verwies in der Generaldebatte auf eine respektable Bilanz in der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Deutschland- und Europapolitik aber auch in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Naturgemäß schonte er im parlamentarischen Schlagabtausch keinesfalls den politischen Mitbewerber, berücksichtigte aber immer, dass es zur Lösung nationaler Herausforderungen eines überparteilichen Konsenses bedurfte. Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen schaffen - danach richtete er seinen politischen Kompass aus.

Hart erarbeitetes Vertrauen

Deutschland, so Kohl damals, sei ein „ruhender Pol in der Völkergemeinschaft“ und eines der „einflussreichsten Länder in der westlichen Welt“. Zwei Jahre vor Ende des Jahrhunderts und trotz allem, „was in dieser Zeit an Schrecklichem in deutschem Namen geschehen ist“, seien die Beziehungen zu Washington, Paris, London, Moskau und auch zu Tokio und Peking ausgezeichnet. „Unser Rat und unser Beitrag sind gefragt“. Das Vertrauen, das Deutschland genieße, sei ein „kostbares außenpolitisches Kapital, hart in Jahrzehnten erarbeitet“.

Sorge um Entwicklung in Russland

Kohl sah voraus: Ohne Reformen, ohne Rechtsstaat, ohne freiheitliche Demokratie, ohne marktwirtschaftliche Ordnung und damit vor allem ohne die Chance zu sozialer Stabilität werde Russland „keine gute Entwicklung nehmen“. Wer über Russland redet, so Kohl damals, sollte darüber nachdenken, was es bedeute, „wenn die Dinge in Russland nicht gut laufen“. Russland sei eines der mächtigsten Länder der Erde, „auch wenn es im Moment schwierige politische und wirtschaftliche Probleme“ habe. Es werde aber wieder an die Spitze kommen, daran habe er überhaupt keinen Zweifel. Russland habe „mit Murren und zum Teil zähneknirschend“ akzeptiert, dass Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO aufgenommen worden seien.

Polen, Ukraine und das Baltikum stabilisieren

Gegenüber den östlichen Nachbarn bestünde eine „Dankesschuld“, so Kohl. Auf Polen bezogen, sei es eine „Frage der inneren Stabilität der gesamten Region“, dass an der Oder die Grenze zur EU fällt und auch die Grenze zur NATO. Die Ukraine nannte er „ein mächtiges Land der Zukunft und unbedingt zu stabilisieren“. Für die baltischen Staaten hielt er es für „existentiell, dass sich die Dinge in Moskau so entwickeln, dass sie ihren Weg in der Geschichte selbständig gehen können“. Die Beziehungen mit den baltischen Staaten hätten eine lange Tradition, „wobei der Verrat Hitlers schlechte Erinnerungen hervorrufe“.

Spitzen gegen Grüne und SPD

Traditionell ist die Generaldebatte über den Etat des Kanzlers und des Kanzleramtes ein Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Und Kohl konnte auch austeilen. In Richtung Joschka Fischer, der bald darauf Bundesaußenminister wurde, rief er: „Es ist doch verständlich, dass die Welt auf diejenigen schaut, die als Schattenaußenminister auftreten und sagt: ´Um Gottes willen, was steht uns da ins Haus´“.

Oder in Richtung des SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine und späteren Bundesfinanzminister: „Der Ministerpräsident des Saarlandes hatte gestern die Güte, … unsere Zahlungen an Russland anzusprechen“. Es stimme, dass Deutschland erhebliche Gelder bezahlt habe. „Wir haben damals gesagt: Das zahlen wir gerne, wenn wir die deutsche Einheit bekommen. Jetzt haben wir nicht nur die deutsche Einheit erreicht, sondern wir haben auch noch einen fristgerechten Abzug der russischen Truppen erleben dürfen“. Lafontaine sei im Übrigen „der schlechteste Ratgeber“. „Sie waren doch gegen den NATO-Doppelbeschluss, genauso wie Herr Schröder. Sie haben doch das Misstrauen in der Welt gesät, durch Ihre Politik.“

Mehr zum parlamentarischen Schlagabtausch vor 25 Jahren und zu Helmut Kohls Einschätzungen zum Euro, zum Aufbau Ost, zur Renten- und Sozialpolitik sowie zu Wirtschafts- und Finanzfragen lesen Sie hier:

13247.pdf (bundestag.de)