Kreisauer Versöhnungsmesse – Warschauer Ghetto – Auschwitz

Helmut Kohl besucht Polen (9. -14. November 1989)

"Wir wollen Geschichte nicht vergessen, aber wir wollen gemeinsam aus Geschichte lernen. Und so lasst uns aufbrechen von diesem Altar in eine friedvolle Zukunft für unsere Völker. Für die Polen, für die Deutschen, für uns alle in Europa." Das sagte Helmut Kohl anlässlich einer Versöhnungsmesse im schlesischen Kreisau, an der er zusammen mit Tadeusz Mazowiecki teilnahm, dem erstmalig in der Nachkriegszeit frei gewählten Ministerpräsidenten.

Während des Zweiten Weltkriegs hatte sich auf Schloss Kreisau der Widerstandskreis gegen das Nazi-Regime um Helmuth James Graf von Moltke getroffen. Nach dem Willen beider Regierungen wurde Kreisau wenig später eine Begegnungsstätte für polnische und deutsche Jugendliche.

Europa rückt enger zusammen

Die Beziehungen zu Polen traten im November 1989 in ein neues Stadium. Das Ende des Kalten Krieges und eine neue Friedensordnung für das gesamte Europa zeichneten sich ab. Die parallellaufenden dramatischen Ereignisse in der DDR hatten durch die Reformentwicklung in Polen weiteren Auftrieb erhalten. Helmut Kohl sah seinen Besuch in Polen vom 9. bis zum 14. November 1989 als eine seiner wichtigsten Auslandsreisen an. 

Der Bundeskanzler legte am Mahnmal des ehemaligen Warschauer Ghettos einen Kranz nieder. Als am Abend des 9. November das DDR-Regime die Mauer und die deutsch-deutsche Grenze öffnete, unterbrach Helmut Kohl am 10. November seinen Polen-Besuch und reiste über Schweden und Hamburg nach Berlin. Noch am gleichen Abend wandte er sich auf Kundgebungen vor dem Schöneberger Rathaus und auf dem Breitscheidplatz vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin an die Bevölkerung in Ost und West.

Gräben der Vergangenheit überwinden

In Polen zurückgekehrt, feierte er dann am 12. November zusammen mit Tadeusz Mazowiecki die Kreisauer-Versöhnungsmesse. Zu der Messe waren auch viele in Polen lebende Menschen deutscher Abstammung erschienen. Beide Regierungschefs bekundeten, dass sie die Gräben der Vergangenheit im Geiste der Aussöhnung für immer überwinden wollten.

Zum Abschluss seiner Polen-Reise besuchte der Bundeskanzler das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz, wo Angehörige vieler Völker, die meisten davon Juden, von den Nazis ermordet wurden. Helmut Kohl bekräftigte in Auschwitz, dass dieser Ort mahnt, die Schrecken der Vergangenheit niemals zu vergessen.

Zusammenarbeit auf allen Gebieten

Kohl kam mit elf Abkommen und Übereinkünften aus Warschau zurück. Alte Stolpersteine – wie die Frage der Ortsbezeichnungen wurden ausgeräumt. Die Tür für eine zukunftsgewandte Zusammenarbeit auf allen Gebieten war weit aufgestoßen. Allein mit dem Abkommen über Jugendaustausch war die Grundlage geschaffen für die Begegnung von jährlich vielen Tausenden junger Deutschen und Polen.


Erklärung der Bundesregierung zur Polenreise am 16. November 1989 im Deutschen Bundestag: 11176.pdf (bundestag.de)