Publikumsfragen

Bei der Veranstaltung am 7. März haben wir zahlreiche schriftliche Fragen aus dem Publikum erhalten. Leider konnten aus zeitlichen Gründen nicht alle direkt vor Ort beantwortet werden. Hier reichen wir die zugesagten Antworten nach. Vielen Dank für die Fragen und ein herzlicher Dank an die Antwortgeberinnen und -geber:

  • Prof. Dr. Beate Neuss
  • Prof. Dr. Norbert Lammert
  • Dr. Günter Winands
  • Gerda Hasselfeld
  • Volker Kauder

Weiter Fragen und Antworten folgen in Kürze.

Antwort von Prof. Dr. Beate Neuss, Professorin für Internationale Politik, TU Chemnitz:

"Wir haben ein repräsentatives politisches System, d.h. Politiker und Politikerinnen sollen die Interessen der Wähler vertreten und sind allen Wählern verpflichtet. Sie sind auch in der Lage, sich in verschiedene Wählergruppen hineinzudenken – die Schlüsse daraus fallen je nach ihrer parteipolitischen Werteorientierung dennoch unterschiedlich – in jedem Fall sind junge Wähler in besonderem Maße ihre künftigen Wähler. Sprechen Sie also Ihre Wahlkreiskandidaten und später Ihre Abgeordneten zu Ihren Anliegen immer wieder an (z.B. in Sprechstunden und Veranstaltungen) und engagieren Sie sich selbst in Parteien! Und: Der Satz: „Hast Du einen Opa, schicke ihn nach Europa“ von 1979 trifft längst nicht mehr zu!"

Antwort von Prof. Dr. Beate Neuss, Professorin für Internationale Politik, TU Chemnitz:

"Mit dem Papier (und dessen Veröffentlichung „The cost of non-Europe” hat die EU in den 1980er Jahren versucht zu berechnen, was es kosten würde, keine Europäische Union zu haben. Vermutlich sollte sich die EU-Presseabteilung mehr Mühe geben, zu verdeutlichen, was bereits die jetzige EU (und mehr noch nach vertiefter Integration) spezifisch für junge Menschen bringt: Freie Reisen, europaweite Ausbildungs- und Arbeitsplatzwahl, unterstützte Ausbildung für Handwerker und Studierende im Ausland. Nicht zuletzt Frieden und Sicherheit. Das alles ist nicht selbstverständlich, wie ein Blick in unsere nicht-EU-Umwelt und die nicht ferne Vergangenheit zeigt. Was ist übrigens so frustrierend an einer kostenlosen Reisemöglichkeit in der EU? Wäre mein Traum gewesen, um meine Neugier auf die ausländische Nachbarschaft zu befriedigen."

Antwort von Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung:

"Ich persönlich glaube nicht, dass das „Ruanda-Modell“ realistisch ist – sowohl aus rechtlichen wie aus praktischen Gründen."

Antwort von Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung:

Die Europäische Union ist ein Verbund von souveränen Nationalstaaten, die durch Verträge der Union immer mehr Aufgaben und Zuständigkeiten übertragen haben, die sie nur wahrnehmen kann, wenn sie sich wie ein eigener Staat verhält. Auf genau dieses Ziel können/wollen die Mitgliedsstaaten sich aber nicht einigen.

Fortsetzung der Frage:

"Wird so lange der Krieg zwischen Russland und der Ukraine anhalten – bis das kleine ukrainische Land mit seinen unschuldigen Menschen völlig dem Erdboden gleichgemacht wird? Schluss mit den Waffenlieferungen – hin zur Diplomatie!"

Antwort von Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung:

"Folgt man dieser militärischen Logik ist die Anschlussfrage: Wieviel weitere „kleine Länder“ müssen sich ggf. dem russischen Anspruch der gewaltsamen Verschiebung von Grenzen bzw. der Bedrohung ihrer staatlichen Existenz fügen?"

Antwort von Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung:

"Richtig: Deutschland als starke europäische Stimme in der Welt!"

Antwort von Dr. Günter Winands, Vorstandsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

"Der verständliche Wunsch nach einer Friedensmacht Europa ist letztlich eine Frage danach, inwieweit die europäischen Staaten innerhalb oder sogar außerhalb des Verteidigungsbündnisses der NATO allein für die Sicherheit in Europa sorgen könnten. Die Europäische Union als erfolgreiches Integrationsmodell hat zwar dafür gesorgt, dass zwischen ihren Mitgliedstaaten gewaltsame Auseinandersetzungen undenkbar geworden sind, für ein gemeinsames europäisches Handeln auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik fehlen der EU aber die notwendigen Strukturen. Dabei hat sie auf den ihr im Ukrainekonflikt möglichen Handlungsfeldern, etwa Sanktionen und finanzielle Unterstützung, trotz immer wieder auftretender Dissonanzen durchaus Handlungskompetenz bewiesen. Den Frieden in Europa zu sichern war aber in der Vergangenheit und ist auch künftig nicht ohne die USA und vor allem deren nuklearer Schutzschirm denkbar. Deshalb müssen die europäischen NATO-Staaten alles daran setzen, dass unsere amerikanischen Verbündeten auch weiterhin zu ihrer Bündnisverantwortung für Europa stehen, und dies nicht zuletzt dadurch sicherstellen, indem die eigenen, insbesondere finanziellen Beiträge deutlich erhöht werden. Auch sind Großbritannien und Norwegen als wichtige europäische Staaten nicht Mitglied der EU, aber der NATO."

Antwort von Dr. Günter Winands, Vorstandsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

"Die Vorwürfe, zwölf Mitarbeiter des Uno-Hilfswerks für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) seien direkt an dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen, wiegen schwer. Deshalb haben nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine Reihe von Staaten, darunter Deutschland, die Finanzierung von UNRWA für deren regionale Arbeit in Gaza vorerst eingestellt. Das UN-Büro für interne Aufsicht (OIOS) hat zwischenzeitlich eine Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet, ebenso wie der UN-Generalsekretär. Die EU-Kommission hat am 1. März 2024 zwar entschieden, Mittel für das Hilfswerk UNRWA teilweise wieder freizugeben, hatte für die Auszahlung der EU-Gelder in Höhe von 50 Mio. € allerdings vorher eine Zustimmung des Hilfswerks zu einer unabhängigen Prüfung durch von der EU ernannte externe Sachverständige verlangt. Im Rahmen dessen sollen laut EU-Kommission die Kontrollsysteme der UNRWA überprüft werden, um eine mögliche Beteiligung des Personals und seiner Vermögenswerte an terroristischen Aktivitäten zu verhindern. Die Kommission hat angekündigt, Zahlungen aussetzen oder wiedereinzuziehen, falls glaubwürdige Informationen vorliegen, die auf erhebliche Mängel in der Funktionsweise des internen Kontrollsystems hindeuten. Die Bundesregierung will über die Bewilligung neuer Mittel für Gaza im Lichte des Fortgangs der UNRWA-Untersuchungen entscheiden. Aus hiesiger Sicht ist nicht nur eine umfassende Aufklärung der schweren Vorwürfe gegen UNRWA-Mitarbeiter zwingend, sondern auch, dass durch das UN-Hilfswerk sichtbar wirksame Konsequenzen gezogen werden, insbesondere hinsichtlich der Auswahl, Neutralität und Kontrolle des eingesetzten Personals. Die weitere Aussetzung deutscher Zahlungen bis zu einer solchen, möglichst schnellen Klärung erscheint trotz der prekären humanitären Lage im Gaza-Streifen verantwortbar. Denn Deutschland leistet weiterhin und in den letzten Monat deutlich verstärkte humanitäre Hilfe für Gaza. Diese wird derzeit über andere internationale Organisationen wie das Rote Kreuz, das Welternährungsprogramm WFP und UNICEF abgewickelt. Deutschland gehört laut Auswärtigem Amt über die verschiedenen geförderten Organisationen zu den größten Geberländern für humanitäre Hilfe in Gaza."

Antwort von Dr. Günter Winands, Vorstandsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

"Die Erweiterung der Europäischen Union insbesondere 2004 durch die Aufnahme von zehn mittel- und osteuropäischer Staaten war ein weiterer bedeutsamer Schritt zur dauerhaften Überwindung der Teilung Europas, wie im Übrigen auch bereits die erste Ost-Erweiterung durch die Integration Ostdeutschlands nach der deutschen Wiedervereinigung. 2007 kamen die Länder Rumänien und Bulgarien, 2013 Kroatien hinzu. Alle diese Erweiterungen waren und sind auch heute noch eine enorme politische Herausforderung. Doch gerade der Ukraine-Konflikt hat die Notwendigkeit des friedensstiftenden Integrationsmodells der EU in aller Deutlichkeit gezeigt. Die Osterweiterung war eine Investition in den Frieden und die Sicherheit in Europa, aber auch in die Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa sowie in mehr kulturelle Vielfalt. Und wirtschaftlich war die Osterweiterung nicht nur für die beigetretenen Länder ein Erfolg, sondern auch für die bisherigen Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland. Die deutschen Exporte in die neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten sind kräftig gestiegen; die Erweiterung der EU hat mehr Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland gesichert als gefährdet."

Antwort von Gerda Hasselfeld, stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

"Die EU muss glaubhaft zeigen, dass die großen Herausforderungen - wie die Sicherung von Frieden und Wohlstand, die Begrenzung des Klimawandels oder die Steuerung der Migration - nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten gelöst werden können. Genauso soll das Leben der Bürgerinnen und Bürger durch ganz praktische grenzüberschreitende Lösungen vereinfacht werden wie bei der Ausbildung oder beim Arbeiten im Ausland, der Gesundheitsversorgung, im Wirtschaftsleben oder ganz einfach beim Reisen. Zu all dem sind Transparenz, eine direkte Kommunikation mit den Menschen sowie weniger Bürokratie erforderlich."

Antwort von Gerda Hasselfeld, stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung

"Ein „Europa der Vaterländer" bedeutet letztendlich ein nationalistisches Europa. So ein Europa hat im 19. Und 20. Jahrhundert zu den größten denkbaren Katastrophen mit zwei Weltkriegen geführt. Die europäische Integration garantiert seit über 70 Jahren Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand in Europa. Natürlich haben auch in einem vereinten Europa die Kommunen, Regionen und Nationalstaaten ihre berechtigten Rollen und eigenen Kompetenzen. Aber in der Welt von heute und morgen sind die europäischen Staaten auf eine enge und integrierte Zusammenarbeit angewiesen."

Antwort von Gerda Hasselfeld, stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung

"Die Entscheidung darüber, was in der EU entschieden wird und was nicht, liegt bei den EU-Staaten. Sie sind die Herren der Verträge. Es muss immer wieder überpruft werden, welche Aufgaben auf welcher Ebene am besten angesiedelt sind. Das schließt auch eine Rückübertragung von Aufgaben auf die Kommunen, Regionen oder Nationalstaaten nicht aus."

Antwort von Volker Kauder, Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

Europa muss verteidigungsfähig bleiben, um seine Werte schützen zu können. Europa selbst ist keine Verteidigungsgemeinschaft. Die Verteidigung ist Aufgabe der NATO. Und hier müssen die Mitgliedstaaten mehr tun als bisher. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll jedes NATO-Mitglied ausgeben. Deutschland wird dieses Ziel erfüllen. Die USA haben deutlich gemacht, dass die europäischen Staaten in der NATO mehr für ihre eigene Verteidigung tun müssen. Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine zeigt, wie notwendig das ist.

Antwort von Volker Kauder, Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung:

Europa ist eine starke wirtschaftliche Gemeinschaft. Sie muss ihre Interessen in der internationalen Politik vertreten. Wie notwendig das ist, zeigt das Verhalten Chinas. Kein europäischer Nationalstaat kann seine Wettbewerbsfähigkeit ohne ein starkes Europa sichern.

Antwort von Dr. Franz Josef Jung, stellv. Mitglied im Kuratorium der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung: 

Ich denke nicht, dass es bestehen bleibt. Die Bedeutung des europäischen Parlaments wird immer größer. Auch die öffentliche Wahrnehmung. Beispielsweise hat das Parlament jetzt die Kommissionspräsidentin gewählt.

Antwort von Dr. Franz Josef Jung, stellv. Mitglied im Kuratorium der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung: 

Der Wählerwille wird nicht ignoriert. In Sachsen wird es keinen AfD-Ministerpräsidenten geben. Entscheidend ist, die illegale Migration zu verhindern. Deshalb sind Grenzkontrollen richtig. Das müsste noch deutlicher von den Medien hervorgehoben werden.

Antwort von Dr. Franz Josef Jung, stellv. Mitglied im Kuratorium der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung: 

Um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, sind Kontrollen und Verfahren im Norden Afrikas durchzuführen. Das müssten auch die Medien so beurteilen.

Antwort von Dr. Franz Josef Jung, stellv. Mitglied im Kuratorium der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung: 

China und Taiwan nicht angreifen. Dafür stehen viel zu viele eigene Interessen auf dem Spiel. Der frühere Staatspräsident Dr. Ma von Taiwan versucht den Konflikt zu entschärfen.