„Welchen Preis hat der Frieden? Vom NATO-Doppelbeschluss zur Zeitenwende“ Die Veranstaltung im Überblick

Eine gemeinsame Veranstaltung der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt und der Bundeskanzler-Helmut-Kohl Stiftung

Vor 40 Jahren stimmte der Deutsche Bundestag für den NATO-Doppelbeschluss. Dieser umkämpften Entscheidung war der Regierungswechsel von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl vorausgegangen. Der NATO-Doppelbeschluss hatte für die Bundesrepublik innen-, außen- und deutschlandpolitische Bedeutung im Kalten Krieg. Die Veranstaltung zeichnet zunächst den Weg von der „massiven Vergeltung“, die der Harmel-Bericht 1967 aufzeigte, der Londoner Rede Helmut Schmidts bis zur Stationierung von sowjetischen SS20- und amerikanischen Pershing II-Raketen in Europa und den damals bereits mitgedachten Abrüstungsverhandlungen nach. 

Es ging im NATO-Doppelbeschluss immer um beides: Waffengleichheit, die Demonstration von Stärke SOWIE Verhandlungsbereitschaft. Die zeitgenössische Formulierung, aus der dieses doppelte Ziel ersichtlich wurde, lautete: Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.

1987 schließlich konnten die Verhandlungen ins Washingtoner Abkommen münden. Die beiden Supermächte – wieder ein zeitgenössischer Begriff, der zeigt, wie stark sich die globalen Machtverhältnisse in den vergangenen vierzig Jahren verändert haben – einigten sich auf die Vernichtung landgestützter nuklearer Waffensysteme mit kurzer und mittlerer Reichweite.


„Die Entscheidung aller Entscheidungen“

Was sagt das für die Gegenwart? Helmut Kohl jedenfalls erschien der NATO-Doppelbeschluss im Rückblick als „die Entscheidung aller Entscheidungen“. Für ihn stand fest, dass es die Deutsche Einheit ohne NATO-Doppelbeschluss nicht gegeben hätte.

Dieser sah vor, neu aufgestellten sowjetischen Mittelstreckenraketen des Typs SS-20 eigene atomare Raketen gegenüberzustellen, um – so die Begründung des westlichen Verteidigungsbündnisses – einen Rückstand auf diesem Gebiet auszugleichen. Über Sinn und Rechtfertigung der nuklearen Rüstung inner- und außerhalb Europas wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren erbittert gestritten – nicht nur auf der politischen Ebene und unter Expertinnen und Experten. Das Thema bewegte in der Bundesrepublik hunderttausende Menschen, und auch in der DDR bildete sich eine dort vor allem durch die Kirchen getragene Friedensbewegung heraus.

In zwei wissenschaftlichen Fachforen wurden auf einer Tagung der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung und der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung am 11. Oktober in Berlin zentrale Aspekte des Konflikts diskutiert. Zum einen, bildlich gesprochen, der Blick von den Kommandohöhen auf Politik, militärstrategische und rüstungstechnische Fragen, zum anderen die Sicht der Gesellschaft auf Themen und Entscheidungen der Zeit.


Hierzu mehr: Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung zum NATO-Doppelbeschluss sowie die anschließende Debatte im Deutschen Bundestag 21./22.11.1983

 

Die verteidigungs- und sicherheitspolitischen Hintergründe

Auf dem ersten Panel fächerte Dr. Tim Geiger, Historiker am Institut für Zeitgeschichte, Mitherausgeber der Akten zur Auswärtigen Politik und seit vielen Jahren einer der führenden Experten für die historischen Ereignisse rund um den NATO-Doppelbeschluss, die verteidigungs- und sicherheitspolitischen Hintergründe des NATO-Doppelbeschlusses im Gespräch mit Dr. Michael Borchard aus, Mitglied im Vorstand der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung und Hauptabteilungsleiter in der Konrad-Adenauer-Stiftung und verantwortlich für das Archiv der Christlichen Demokratie.   

Besonders spannend wurde es in diesem Austausch, wenn Geiger scheinbar gängige Gewissheiten aufgrund fundierter Aktenkenntnisse infragestellte. In zahlreichen Artikeln, Reden und Medienberichten hält sich beispielsweise bis heute das vereinfachende Bild, Helmut Schmidt habe im Oktober 1977 in seiner Rede vor dem Londoner International Institute for Strategic Studies den Doppelbeschluss initiiert. Fakt ist, dass Helmut Schmidt zu den prominenten Wegbereitern der „Nachrüstung“ gehörte, aber eine Verhandlungslösung präferierte. Geiger gab jedoch zu bedenken, dass auch andere Faktoren für die Genese der Nachrüstung zu berücksichtigen sind. So seien auch technologische Sachzwänge mit einzubeziehen: Alte westliche Mittelstreckenraketen in Europa zielten aufgrund kurzer Reichweiten häufig auf das eigene Gebiet – für das Bündnis ein wichtiger Grund zur Modernisierung des eigenen Arsenals. Eine solche Modernisierung stand ohnehin auf der Agenda – hier war entsprechend weniger Überzeugungsarbeit vonseiten Schmidts gegenüber der US-Regierung unter Jimmy Carter notwendig, als dies häufig zu lesen ist.

Geiger wies auf einen anderen wichtigen Punkt hin: Die nukleare Verteidigung Westeuropas war (und ist bis heute) von den USA abhängig. Schmidt habe erkannt, dass ein Atomschlag der Sowjetunion durch modernisierte Mittelstreckenraketen allein auf Europa gerichtet die Entschlossenheit der USA für einen Gegenschlag auf die Probe stellen könnte. Durch einen Gegenschlag der USA wäre unweigerlich auch das US-Territorium und damit die eigene Zivilbevölkerung gefährdet worden. Hier sah Schmidt eine „Glaubwürdigkeitslücke“ und dementsprechend die Notwendigkeit für ein Gleichgewicht in dieser Waffenkategorie zwischen Ost und West begründet – dies ist ebenfalls ein Aspekt, der in populären Darstellungen über die Ereignisse um das Jahr 1980 selten Thema ist. Dazu gehört auch, dass Schmidt sich seit seinen Standardwerken zu militärstrategischen Fragen aus den 1950er- beziehungsweise 1960er-Jahren stets dafür ausgesprochen hatte, konventionelle, also nicht-nukleare Waffenarsenale der NATO zu stärken, um eine glaubwürdige Abschreckung auch auf diesem Wege aufrechtzuerhalten.

Eine interessante Verknüpfung zum zweiten Panel ergab sich über eine begriffliche Frage: Helmut Schmidt hatte in der erwähnten Rede in London viel über die Rolle sozialer und politischer Stabilität für eine umfassende Sicherheit Westeuropas gesprochen. Beides seien die Grundpfeiler für den Erhalt westlicher Demokratien. Eine moderne atomare Rüstung und die von ihm nachdrücklich vertretene „Politik des Gleichgewichts“ waren für Schmidt nur Teil eines umfassenderen Sicherheitskonzepts. Prof. Dr. Eckart Conze, Zeithistoriker an der Universität Marburg, wandte sich in seinem Kurzvortrag solchen Konzepten von Sicherheit und Sicherheitspolitik zu, die in den Jahren rund um den NATO-Doppelbeschluss und bis heute einem stetigen Wandel unterliegen. Für die Bundesrepublik nahm er die Wahrnehmungen einer zunehmend selbstbewussteren Zivilgesellschaft in den Blick. Er spannte einen Bogen von den Diskussionen um eine erste Friedensbewegung ausgangs der 1950er-Jahre („Kampf dem Atomtod“) über höchst emotional geführte Auseinandersetzungen um die eigene NS-Vergangenheit (etwa am Beispiel der Ausstrahlung der US-Fernsehserie „Holocaust“) bis hin zu den Menschenketten und Massendemonstrationen im Nachgang des NATO-Doppelbeschlusses vom Dezember 1979. Dabei wurden Bilder vom Massenmord an den europäischen Juden aus der Zeit des Nationalsozialismus mit solchen einer nuklearen Katastrophe verknüpft. 

Zugleich konstatierte Conze ein tiefes Misstrauen an einem übertechnisierten Fortschrittsparadigma, das sich in der Ablehnung gegenüber der nuklearen Hochrüstung in Ost und West gezeigt habe: „Der Feind war das Atom“, auf diese Formel brachte er die damaligen Proteste, die Teil als Teil der Demokratiegeschichte in Deutschland zu verstehen seien. Für die in den Reihen der Friedensbewegung starke Stimme der Kirchen ging das Verständnis von Sicherheit der Regierungen Schmidt und Kohl nicht mit christlichen Vorstellungen von Frieden einher: Beide schlössen sich gegenseitig aus, weil Friede nur mit Vertrauen zu haben sei. Zudem forderten starke Stimmen in der Friedensbewegung eine Demokratisierung der Sicherheitspolitik: Man habe sich zu stark abhängig gemacht von einer „Expertokratie“, die den Zugriff der Menschen auf für sie existenzielle Fragen kaum noch zulasse. Stattdessen habe die Friedensbewegung eine Stärkung der direkten Demokratie gefordert – der sich die Regierungskoalitionen vor und nach dem Oktober 1982 jedoch nicht öffnen wollten.


Widerstand gespeist aus Erfahrungen anderer sozialer Bewegungen?

Die Impulsvorträge von Prof. Dr. Eckart Conze und von PD Dr. Claudia Kemper vom LWL-Institut der Universität Münster waren verbunden durch die Frage, was das Streben nach einer zunehmend weiter ausgreifenden Konzeption von „Sicherheit“ demokratiepolitisch bedeutete. So mahnte Eckart Conze, den Sicherheitsbegriff nicht auf das militärische Gleichgewicht zwischen den beiden damaligen Großmächten und die Vermeidung von Gewalt zu reduzieren, und Claudia Kemper stellte die These auf, dass der Protest um den Doppelbeschluss verknüpft war mit dem Widerstand gegen mangelnde politische Steuerungsfähigkeit angesichts zunehmend schwierigerer wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse in der Bundesrepublik um das Jahr 1980. Die Bewegung gegen die „Nachrüstung“ der NATO habe sich aus dem Reservoir und auch den Erfahrungen anderer sozialer Bewegungen gespeist. Hunderttausende – organisiert häufig in lokalen und regionalen Gruppen – demonstrierten fast ausschließlich friedlich. Das sei auch die Leistung einer Zivilgesellschaft gewesen, die demokratischen Spielregeln folgte. Dass diese Massenbewegung – in Teilen auf verdeckten Kanälen aus dem Osten unterstützt – sich bei der vorgezogenen Bundestagswahl 1983 nicht habe durchsetzen können, lag laut Kemper auch daran, dass die Koalition aus CDU/CSU und FDP insbesondere im Bundestagswahlkampf auf wirtschaftliche und soziale Themen setzte, die den meisten nähergelegen hätten als die Angst vor den Folgen eines Atomkriegs.

In der anschließenden Diskussion wurden konträre Standpunkte sichtbar, die nicht nur Thesen hinterfragten (etwa: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Gebietsreform in der Bundesrepublik der 1970er Jahre und den Protestbewegungen Jahre später“), sondern auch den Gegensatz zwischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf der einen Seite und der historischen Wissenschaft aufleben ließ.

Die öffentliche Abendveranstaltung eröffnete Peer Steinbrück als Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung. Steinbrück schlug den Bogen von den Debatten um die Nachrüstung der 80er Jahre bis heute: Wie aktuell die Frage nach dem Preis des Friedens ist, zeigten sowohl der Krieg in der Ukraine, als auch der terroristische Überfall der Hamas auf Israel. Steinbrück warnte vor einer bereits damals um sich greifenden „Verschiebung der Täter-Opferbeziehung“ in der Wahrnehmung von Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Es sei klar, „wer im Hinblick auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa der Täter gewesen ist“, so Steinbrück: „Der Impuls ging von der Sowjetunion aus.“ Auch bei den Terrorangriffen in Israel wünschte sich Steinbrück, dass in der Debatte die Täter-Opfer-Beziehung realistischer und zutreffender dargestellt würde, als das in der politischen und öffentlichen Debatte zu erleben sei. Steinbrück bedauerte, dass es in Deutschland zu wenige Institute und Lehrstühle gäbe, die sich mit Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigen. Deutschland würde daher nicht über vergleichbare strategische Analysekapazitäten verfügen wie seine Partner. „Was sich in der politischen und öffentlichen Debatte leider spiegelt“, so Steinbrück.

„Der NATO-Doppelbeschluss war politisch richtig und moralisch gut“, urteilt der vormalige lettische Staatspräsident Egils Levits. In einer eingespielten Videobotschaft betonte er, dass zur Beendigung des Kalten Krieges das feste Zusammenstehen des westlichen Bündnisses erheblich beigetragen habe. Der NATO-Doppelbeschluss sei für ihn Ausdruck der Wehrhaftigkeit des freiheitlich-demokratischen Systems gegenüber der „nach innen repressiv und nach außen expansiv agierenden Sowjetunion“. Gleichzeitig habe das Dialogangebot der NATO zur Deeskalation und schließlich 1987 zum Abbau der nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa geführt.

Eine Lehre für die heutige Zeit sei, so der baltische Politiker, dass staatlich garantierte Freiheitsrechte und demokratische Werte Aggressoren auch heute nicht zum Opfer fallen dürfen. „Diese Werte müssen verteidigt werden.“  

An die Paradoxie der Stimmungslage in der Bundesrepublik vor 40 Jahren erinnerte sich Wolfgang Schäuble zu Beginn seines Diskussionsbeitrags: „Die östlichen Mittelstreckenraketen wurden weniger als Bedrohung empfunden, wohl aber die Ankündigung des Westens nachzurüsten, falls der Osten nicht zum Abbau bereit sei“, so der Bundestagsabgeordnete, der bereits 1972 in das westdeutsche Parlament gewählt worden war. Er vermutet, dass der Streit um die Dialektik aus Abschreckung und Rüstungskontrolle einen größeren Teil zum vorzeitigen Ende der sozialliberalen Koalition von Bundeskanzler Helmut Schmidt beigetragen habe, als das sogenannte Lambsdorff-Papier.

Bemerkenswert sei nach wie vor, dass der NATO-Doppelbeschluss mit der Mehrheit aus CDU/CSU und FDP im Deutschen Bundestag gegen die Mehrheit der überwiegend ablehnenden Bevölkerung getroffen werden musste. Der vormalige Bundestagspräsident beschrieb, wie er im Spätsommer 1983 Helmut Kohl im Hubschrauber auf dem Weg von Bonn nach Ludwigshafen begleitet hatte und Kohl den Piloten bat, eine Schleife über die im Bonner Hofgarten versammelten Demonstranten zu fliegen. Schäuble berichtete, dass er bei diesem Anblick verstanden habe, was es für einen Regierungschef heißt, Entscheidungen gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung treffen zu müssen – auch deshalb habe er heute viel Sympathie für Olaf Scholz.

Schäuble erinnerte daran, wie Helmut Schmidt 1983 während der abschließenden Parlamentsdebatte über den NATO-Doppelbeschluss einen Papierflieger bastelte und diesen in Richtung seiner Fraktion warf. Die wahren Beweggründe dieser Geste seien bis heute unklar. Völlig klar sei aber sowohl für Helmut Schmidt wie auch für Helmut Kohl gewesen, dass die späteren Abrüstungsverträge und das anschließende Ende des Ostblocks direkt auf den NATO-Doppelbeschluss zurückzuführen seien.

Zur aktuellen Situation bekannte Schäuble, dass viele sich über das aggressive Verhaltens Russlands „lange getäuscht“ haben. Schuldzuweisungen seien indes fehl am Platz, vielmehr sei es wichtig, daraus zu lernen und jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen. Mit Blick auf den Titel der Veranstaltung bemerkte Schäuble, dass Freiheit – wie Frieden – ein knappes und stets gefährdetes Gut sei, für das eine Gesellschaft immer auch einen Preis zu zahlen habe.

„Sicherheit dürfe nicht singulär betrachtet werden“ – darauf hob der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, ab. Es sei nicht mehr angebracht, das Pendel in sicherheitspolitischen Debatten immer nur in eine Richtung ausschlagen zu lassen. „Wir sehen die Bedrohung und schauen weg“, so der General, der für einen „neuen Realismus“ in Fragen von Sicherheit und Verteidigung plädierte.

Dabei gehe es um eine höhere Verteidigungsbereitschaft und einen umfassenden Begriff von Sicherheit. „Wir brauchen eine Reaktion auf hybride Einflussnahmen.“ Die Gesellschaft sei aufgerufen, eine strategische Kultur zu entwickeln – nicht Angst, sondern ein vernünftiges Bedrohungsempfinden, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Die Selbstbestimmtheit, wie wir hier leben wollen – dafür stehe ich mit meiner Uniform auch ein,“ bekannte Deutschlands oberster Soldat unter dem Applaus des Publikums.

General Breuer widersprach der häufig geäußerten These, dass Russland sich von der NATO bedroht fühlen könne. „Ich glaube, wir müssen uns im Bezug auf Russland nichts vorwerfen.“ Man habe in der Vergangenheit immer wieder den NATO-Russland-Rat bemüht und sei mit Russland in allen Entscheidungen sehr transparent umgegangen.

Der eine für die CDU seit über 50 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestags und enger Mitarbeiter Helmut Kohls in verschiedenen Spitzenpositionen in Partei und Staat, der andere in den 1980er-Jahren junger Soldat und heute Generalinspekteur der Bundeswehr - beide waren sich einig: Die Entschlossenheit der westlichen Regierungen, den NATO-Doppelbeschluss auch gegen massive Proteste durchzusetzen, habe der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Pakts deutlich gemacht, dass die USA und Westeuropa nicht auseinanderzubringen seien. Dies habe nicht nur unmittelbar zum INF-Vertrag über die Verschrottung aller Mittelstreckenraketen in Europa im Jahr 1987 geführt, sondern auch zum Ende der Blockkonfrontation um das Jahr 1990.

Auf die Frage, ob wir heute „friedensverwöhnt“ seien und wie der Begriff der Abschreckung zu deuten ist, verwies Breuer auf Grundsätze aus seiner eigenen Offiziersausbildung in der Bundeswehr. Das Ziel lautete Mitte der 80er Jahre: Die Soldaten sollten kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen. Das sei heute – angesichts einer anderen Bedrohungslage und vieler Krisenherde – anders. „Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen Streitkräfte haben, die in der Lage sind, jederzeit einen Krieg führen zu können. Erst wenn wir das erreicht haben, können wir damit auch abschrecken. Abschreckung muss im Vordergrund stehen, aber als Voraussetzung dafür muss es die Kriegstüchtigkeit geben.“ Eine weitere Voraussetzung dafür sei eine resiliente und wehrhafte Gesellschaft. Bisher habe die Bundesrepublik die Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Militär immer nur in eine Richtung verstanden: Wenn eine Katastrophe passiert, hilft das Militär. Die Erwartung aber müsse künftig auch andersherum gedacht werden, so Breuers abschließender Appell: „Wie kann die Zivilgesellschaft die Verteidigung dieser Republik unterstützen? Dort wo für die Verteidigung dieser Republik Soldaten notwendig sind!“

Wie auch das Beispiel in der Ukraine zeige, sei nicht Frieden um jeden Preis, sondern Frieden in Freiheit das erstrebenswerte Ziel – so das Schlusswort Volker Kauders. Der Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung betonte, dass eine solche Tagung – veranstaltet von den beiden Kanzlerstiftungen – ein Signal für die weitere Zusammenarbeit in wichtigen gesellschaftlichen Fragen setzen könne. „Daran müssen wir überparteilich arbeiten und es gemeinsam in unsere Gesellschaft hineintragen.“

Mit diesem Appell schloss eine Veranstaltung, die der Balance zwischen Abschreckung und Abrüstung vor 40 Jahren nachspürte und für die Gegenwart eine Gelingensbedingung formulierte – das Bewusstsein dafür, dass Freiheit nicht nur gelebt, sondern auch verteidigt werden muss.

Dr. Magnus Koch, Dr. Heinrich Neumann, Florian von Hennet
Fotos: 
Christian Plambeck


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